gesichter der Kultur

Die GRIMMWELT Kassel war Thema bei „Neue Gesichter der Kultur“ mit Jan Sauerwald und Professor Dr. Holger Ehrhardt

 Die GRIMMWELT Kassel auf dem Weinberg war sowohl Ort als auch Thema einer Veranstaltung in der KulturNetz-Reihe „Neue Gesichter der Kultur“. Zu Gast waren Jan Sauerwald, der neue Leiter der GRIMMWELT, und Grimm-Professor Holger Ehrhardt von der Universität Kassel. Die Diskussionsveranstaltung sorgte am Donnerstagabend für ein volles Haus, denn rund 80 Interessierte waren gekommen, um sich ein Bild von der Entwicklung des Ausstellungshaues zu machen, Fragen zu stellen und eigene Anregungen vorzutragen.

 

 Die Lage ist gut in dem 2015 eröffneten Haus, das dem Wirken der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm gewidmet ist, stellte Jan Sauerwald klar. Und Planungen für die Zukunft gibt es auch. In dem von Barbara Ettinger-Brinckmann und Professor Dr. Heidi Möller moderierten Gespräch fiel die harmonische Zusammenarbeit von Sauerwald und Ehrhardt auf. „Wir liegen in vielen Fragen auf einer Linie“, sagten sie.

  

Jan Sauerwald, der lange in Berlin tätig war, kommt aus dem Bereich der zeitgenössischen Kunst und Kultur, belegte aber mit seinen Ausführungen, wie intensiv es sich in das Thema „Grimm“ eingearbeitet hat. Professor Dr. Holger Ehrhardt hat den Lehr- und Forschungsschwerpunkt „Werk und Wirkung der Brüder Grimm“ an der Universität Kassel inne und war bei der Entwicklung der Ausstellung auch beratend tätig. Beide Experten telefonieren häufig miteinander und tauschen sich aus.

  

Für GRIMMWELT-Geschäftsführer Sauerwald war es ein Glücksfall, sein Amt 2022 im Jahr der documenta fifteen anzutreten, betonte er. Die Weltausstellung bespielte auch sein Haus und brachte rund 100 000 Besucher:innen sowie internationale Kunstatmosphäre mit sich. Für 2023 wollen sich Sauerwald und sein Team an den Zahlen von 2019 orientieren, die vor dem Stillstand der Corona-Jahre bei 80 000 Besucher:innen lagen. Wichtig ist ihm die Erfüllung des Bildungsauftrags, den sein Haus hat ­ zahlreiche Schulklassen sind jede Woche zu Gast. Und er sucht das Gespräch mit den Besucher:innen: „Ich bin interessiert daran, was die Menschen denken.“

 Zu den Vorzügen des Hauses, die Sauerwald benannte, gehört neben der Ausstellung selbst und der architektonischen Einzigartigkeit des Gebäudes auch die Dachterrasse, „eine der größten auf einem europäischen Museum“, sowie das Restaurant Falada mit Bio -und regionalen Produkten.

  

Durch die GRIMMWELT habe Kassel, das viele Jahre Lebens- und Arbeitsort der Brüder Grimm war, an dem sie Märchen sammelten und die Arbeit am Deutschen Wörterbuch begannen, deutlich mehr Aufmerksamkeit durch die Grimm -Forschung erhalten, erklärte Professor Ehrhardt. Sehr oft seien Delegationen aus europäischen Ländern zu Gast. Einig sind sich Sauerwald und Ehrhardt, dass der wissenschaftliche Bereich beispielsweise durch Kongresse und Symposien in der GRIMMWELT gestärkt werden soll.

 

Zum guten wissenschaftlichen Ruf der Stadt, so erklärte Professor Ehrhardt in einem kleinen Exkurs, trage auch die komplette Digitalisierung der umfangreichen Grimm-Bestände der Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel bei. In Kassel sei dies pragmatisch und schnell umgesetzt worden. Weltweit besteht damit Zugang zur Kasseler Grimm-Bibliothek.

Überlegungen für die Zukunft

Bei aller Wertschätzung für die GRIMMWELT hatten Sauerwald und Ehrhardt jedoch auch Kritikpunkte. Hinsichtlich der baulichen Gestaltung merkte der Leiter des Hauses an, dass es sich um ein ikonisches Gebäude mit toller Architektur handeln würde, unter dem Aspekt der gestiegenen Energiekosten heute aber, insbesondere mit Blick auf die Klimatisierung des Gebäudes, eventuell anders geplant würde. Der Großzügigkeit in der Eingangssituation stünden fehlende Quadratmeter für die Vermittlung und in der Dauerausstellung gegenüber.

Sauerwald, der bei einer der beiden Kuratorinnen der Dauerausstellung der GRIMMWELT, Nicola Lepp, an der FH Potsdam studiert hat, möchte zudem neue Akzente in die GRIMMWELT bringen. Einig ist er sich mit Professor Ehrhardt, dass die Reduktion auf das Deutsche Wörterbuch und die Märchen in der Ausstellung zu knapp sei und beispielweise die sprachwissenschaftlichen Forschungen mehr Platz erhalten sollten. „Unser Auftrag ist, auch das weitere Werk zu betrachten und dem Publikum die Möglichkeit zu bieten, andere Aspekte auf die Grimms zu erhalten.“

Und noch eine Zukunftsversion hat Sauerwald: Das Haus soll für die Besucher:innen zu einem „dritten Ort werden“. Damit wird ein Ort bezeichnet, der neben dem Zuhause und dem Arbeitsplatz nicht mit den alltäglichen Verpflichtungen besetzt ist, sondern für andere Dinge ¬ eine Auszeit, für Bildung und Gespräche ¬ zur Verfügung steht und gleichzeitig etwas Vertrautes und Sicheres bietet. Jan Sauerwald: „Die Voraussetzungen sind in der GRIMMWELT vorhanden.“